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NFL-Kolumne von Adrian Franke: Haben die Giants einen teuren Fehler gemacht?

Four Downs: Die NFL-Kolumne von Adrian Franke

Warum Texans-Fans feiern dürfen - und haben die Giants einen teuren Fehler gemacht?

Daniel Jones und die Giants sind ein Thema der neuen "Four Downs"-Kolumne.

Daniel Jones und die Giants sind ein Thema der neuen "Four Downs"-Kolumne.

FIRST DOWN: Haben die Giants mit Daniel Jones einen Fehler gemacht?

Nach den ersten vier Spielen ist es leicht, auf die Giants zu schauen, die enttäuschenden Spiele zu analysieren, die enormen offensiven Probleme zu betrachten, und zu einer einfachen Schlussfolgerung zu kommen: Der 40-Millionen-Dollar-pro-Jahr-Vertrag, den man Daniel Jones in der Offseason gegeben hatte, war ein Fehler, und bald werden die Rechenschieber herausgeholt, um auszuloten, wann die Giants frühestens aus diesem Deal aussteigen können.

Natürlich ist auch hier die Konversation, die man führen muss, viel nuancierter und dazu kommen wir gleich. Doch eine Sache, die ich mich in diesem Zusammenhang immer gefragt habe, ist diese: Hätten die Giants Daniel Jones auf den Markt kommen lassen - hätte irgendein Team, selbst mit Wettbieten auf dem Markt, ihm den Vertrag angeboten, den er ohne Konkurrenz von den Giants bekam? Sicher werden wir das nie beantworten können, für mich geht die Tendenz eher Richtung Nein.

Das führt dann zu einer logischen Folgefrage: Ist Jones für die Giants mehr wert als für andere Teams?

NFL - Week 4

Das ist der Punkt in der Diskussion, an dem man auch auf softe Faktoren zu sprechen kommen muss. Was für ein Signal würde es an den Locker Room senden, wenn man, nachdem man es bis in die zweite Play-off-Runde geschafft hat, den Quarterback gehen lassen würde? Was wären die Alternativen gewesen, und vor allem: Wäre das nicht eine sehr schwierige Basis gewesen für einen Trainerstab im zweiten Jahr, nicht nur die Entwicklung des Teams weiter fortzusetzen, sondern auch den Locker Room weiter hinter sich zu halten?

Diese Dinge spielen eine Rolle bei solchen Entscheidungen, und das sollten sie auch. Berücksichtigt man diese Faktoren, ist nachvollziehbar, warum die Giants Jones halten wollten. Aber, und hier kommen die Grautöne in die Diskussion, die Tatsache, dass man sich so lange und zu diesem Preis an Jones gebunden hat, das sehe ich nach wie vor kritisch. Und jetzt muss der Trainerstab sich die umgekehrte Frage gefallen lassen: Ist Jones auf diesem Vertrag nicht perspektivisch Teil einer schwierigen Basis?

Realistisch kommen die Giants frühestens 2025 aus diesem Vertrag raus; eine Trennung nächstes Jahr würde knapp 70 Millionen Dollar Dead Cap übrig lassen. Der Vertrag, den die Seahawks in der gleichen Offseason Geno Smith gegeben haben, ist für mich das Paradebeispiel, wenn es um diese Art Quarterback geht: Ein starker Charakter im Locker Room, aber eben kein Top-Quarterback, kein Quarterback, mit dem man unbedingt All-In gehen will.

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Haben die Giants ihre Situation falsch eingeschätzt?

War das hier der Fall? Inwieweit haben sich die Giants in der vergangenen Offseason selbst als ein Team gesehen, das jetzt den nächsten Schritt machen wird? Darren Waller ist schematisch eine spannende Ergänzung, in puncto Roster Building war er, genau wie der Tag für Saquon Barkley, ein Win-Now-Move. Und es ist dieses Gesamtbild, in das der Jones-Vertrag dann zumindest in Teilen auch reinspielt, bei dem man die Strategie der Giants nach einem verheerenden Saisonstart diskutieren kann.

Eine häufige Giants-Prognose vor der Saison war, dass das Team womöglich besser spielt, am Ende aber weniger Spiele gewinnt; das war auch meine Preseason-Einschätzung. Nach den ersten vier Spielen ist die Offensive Line ein riesiges Problem, und die Defense wirkt viel zu eindimensional.

Das ist per se nicht überraschend, angesichts der Tatsache, dass Don Martindale der Defensive Coordinator ist. Und es ist auch nicht (mehr) aus der Zeit gefallen, denn wir sehen in der Saison bislang ligaweit mehr Defenses, die wieder verstärkt blitzen. Die Giants aber macht es extrem ausrechenbar, und gute offensive Play-Callers und/oder Quarterbacks können das bestrafen. Das war in jedem Spiel dieser Saison bislang auffällig. Es ist ein Team, das scheinbar auf beiden Seiten des Balls nur eine Lösung parat hat.

Seahawks mit Sack-Bestwerten gegen die Giants

Gegen Seattle allerdings war es nicht die Defense, die negativ auffiel; es war einmal mehr die Offense und es war einmal mehr die Offensive Line. Mit Left Tackle Andrew Thomas fehlte der mit Abstand beste Spieler erneut, doch die Line durch die Bank ist über die ersten Wochen der Saison eine Großbaustelle.

Der bislang nicht unbedingt furchterregende Seahawks-Pass-Rush brachte Daniel Jones zehn (!) Mal zu Boden. Es ist das erst zweite Mal seit 1992, dass ein Quarterback in einem Regular-Season-Spiel zehn Sacks einstecken muss.

Daniel Jones geht gegen die Seahawks zu Boden

Zehn Sacks kassierte Daniel Jones im Spiel gegen die Seattle Seahawks. IMAGO/USA TODAY Network

Umso bitterer war es, dass die Giants zu häufig keine Antworten hatten oder aber nicht antizipieren konnten, was kommt: Nachdem die Seahawks gegen Carolina letzte Woche aggressiv geblitzt hatten, kann Brian Daboll und Co. Seattles Ansatz nicht überrascht haben.

Doch sieben der zehn Sacks kamen via Blitz, die meisten Blitz-Sacks für eine Defense in einem Spiel seit 2018. Sechs der zehn Sacks gingen auf Devon Witherspoon, Bobby Wagner und Jordyn Brooks, allesamt keine etatmäßigen Pass-Rusher.

Einzig beim ersten - mutmaßlich gescripteten - Drive hatte ich über mehrere Plays in Folge den Eindruck, dass die Giants einen echten Plan hatten, wie sie über das Quick Game in allen Facetten den Ball schrittweise bewegen können.

Später kamen sie nur vereinzelt wieder in diesen Rhythmus, und das Problem ist dann auch: Wenn man ausschließlich in dieser Quick-Game-Welt leben kann, braucht man eine enorme Effizienz vom Quarterback, um so den Ball nachhaltig zu bewegen.

All das kann aber ohnehin nicht der Maßstab sein, gegen eine Defense, die als eine der sechs, sieben schlechtesten Pass-Defenses in dieses Spiel kam und letzte Woche von Andy Dalton und Adam Thielen vor echte Probleme gestellt worden war.

Stattdessen war es eine Giants-Offense auf dem Präsentierteller für Seattles Pass-Rush. Diese Offense ist komplett eindimensional und kann so nicht funktionieren. Ich habe die zehn Sacks gegen Daniel Jones - es gab einen zusätzlichen gegen Parris Campbell bei einem versuchten Trick Play - so zusammengefasst:

Erster Sack: Daniel Jones hält den Ball zu lange und läuft dann hinter der Line of Scrimmage ins Seitenaus.

Zweiter Sack: Slot-Blitz, Jones registriert ihn überhaupt nicht - in meinen Augen wäre er hier verantwortlich gewesen für den Blitzer - und wird von der Blindside gesacked.

Dritter Sack: Play Action, Seahawks antizipieren den Rollout komplett, Uchenna Nwosu setzt Jones direkt unter Druck und im zweiten Versuch wird Jones per Strip Sack erwischt.

Vierter Sack: Die Offensive Line wird vom Vier-Mann-Rush sofort geschlagen, Jones tritt unter Druck in die Pocket und wird dann zu Boden gebracht.

Fünfter Sack: Blitz, und Jones scheint mitnichten zu registrieren, dass er den Ball schnell loswerden muss und wird nach einem Schritt nach vorne in die Pocket gesacked.

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Sechster Sack: Bobby Wagner kommt als vierter Rusher - einer der Edges lässt sich in Coverage fallen -, die Protection ist von diesem simplen Move überrascht, sodass erst Dre’Mont Jones durch die Mitte frei ist und dann Wagner sich löst und durchkommt. Jones hat keine Chance und läuft beim Versuch, den anderen Rushern auszuweichen, noch in Wagner rein.

Siebter Sack: Nwosu schlägt den Left Tackle blitzartig, Jones geht davon aus, dass seine Blindside beschützt ist und antizipiert keinen Druck von seliner linken Seite.

Achter Sack: Protection hält im ersten Moment, Jones weicht aus der noch sauberen Pocket nach links aus, wo der Defensive Tackle auf ihn wartet.

Neunter Sack: Ein weiterer Slot-Blitz, der Druck kommt aber von der linken Seite, wo Boye Mafe den Left Tackle komplett zerlegt. Keine Chance für Jones.

Zehnter Sack: Das Finale bei Fourth Down. Ein weiterer Creeper-Pressure - also ein Defensive Lineman lässt sich zurückfallen, dafür kommt ein "unerwarteter" Pass-Rusher. Seahawks überladen so die linke Seite der Protection, Boye Mafe schlägt den Left Tackle zum Sack.

Jones hatte zusätzlich die beiden Interceptions, eine davon war der 97-Yard-Pick-Six von Witherspoon, hier gab es vermutlich ein Missverständnis mit seinem Receiver. Die zweite Interception war ein tiefer Wurf unter Druck der komplett überworfen war, ohne jede Chance auf eine Completion. Riq Woolen hätte einen weiteren Pick haben können (1:15 noch auf der Uhr im zweiten Viertel).

Giants: Roster Building wird jetzt erst schwierig

Dieses direkte Duell erlaubt auch einen generellen, nicht nur auf dieses einzelne Spiel bezogenen, Vergleich zwischen den beiden Quarterbacks. Geno Smith gibt der Offense ein Ceiling, indem er aggressiv spielt, die Big Plays attackiert, die Pocket - auch mit zwei Backup-Tackles - besser managt. Und die Offense insgesamt funktionierte, trotz einiger Ausfälle in der Offensive Line, während die Giants-Line in dieser Saison schon zu häufig implodierte.

Diese Gegenüberstellung tut weh aus Giants-Sicht. Smith hat gezeigt, dass er zum Floor beitragen und der Offense ein Ceiling geben kann. Jones hat bisher eher gezeigt, dass er den Floor - in erster Linie durch sein Rushing - hochschrauben kann, von den Umständen aber massiv abhängig bleibt.

Um hier mal den Bogen zum Anfang zu schlagen: Ich sehe Jones nicht als das alleinige Problem in New York, nicht einmal ansatzweise.

Aber ich sehe ihn auch nicht als Franchise-Quarterback und halte den Vertrag in dem Ausmaß und im Kontext dessen, wo dieses Team steht, für einen Fehler, der jetzt verstärkt in den Fokus rückt.

Ein schlagkräftiges Team um Jones herum aufzubauen wird deutlich schwieriger, wenn sein Cap Hit ab 2024 dann auf über 40 Millionen Dollar klettert. Doch mit einem Quarterback wie Jones braucht man viel Qualität um ihn herum. Das gilt umso mehr, da 2024 auch Dexter Lawrence und Andrew Thomas aus Cap-Perspektive sehr teuer werden.

So bekommt man ein Team, das in manchen Bereichen - inklusive in einigen, in die bereits viele Ressourcen gesteckt wurden - gravierenden Nachholbedarf hat, und das kreiert ein sehr ungleiches Bild. In dieses Team einen 40-Millionen-Dollar-Quarterback rein zu werfen, der leistungstechnisch ganz eindeutig in die Quarterback-Mittelklasse gehört, macht dieses Bild noch schiefer, als es ohnehin schon ist. Jones kann dieses Team nicht tragen, er könnte es höchstens verwalten, und mit dieser Line ist das nicht möglich.

Nach vier Spieltagen sind die Giants das einzige Team, das bereits drei Primetime-Spiele gespielt hat. New York hat alle drei verloren, mit einem Point Differential von -79. Das ist die schlechteste Bilanz für ein Team über drei Primetime-Spiele in Serie seit dem Liga-Zusammenschluss 1970. Die Giants sind das einzige Team in der NFL, das nach vier Spielen noch keinen Touchdown in der ersten Hälfte zustande gebracht hat, und die Buhrufe am Montagabend zur Pause waren überdeutlich.

Unabhängig davon, wie die Erwartungen für dieses Giants-Team vorher aussahen: Nach vier Spielen steht eine große Enttäuschung auf beiden Seiten des Balls und ein Team, das viel weiter weg zu sein scheint, als selbst pessimistische Prognosen nach der vergangenen Saison hätten vermuten lassen. Es wird spannend sein zu sehen, inwieweit sich diese Erkenntnis fortsetzt - und wie die Offseason-Strategie aussieht, sollte sie sich bestätigen.

SECOND DOWN: Die Texans haben ihren Quarterback gefunden

Der finale Satz meiner Pre-Draft-Analyse zu C.J. Stroud war dieser: “Ich halte ihn für den Quarterback mit der klarsten NFL-Projection in dieser Klasse, aber auch für einen Quarterback mit einem vergleichsweise limitierten Ceiling, und dessen vermeintlich hoher Floor getestet werden wird, sollte er in einem Team mit einer wackligen Line landen."

Basierend darauf gehört dann nicht allzu viel Fantasie dazu, um sich vorzustellen, wie meine Prognose für Stroud aussah, nachdem die Offensive Line der Houston Texans schrittweise mehr und mehr dezimiert wurde. Gegen den gefürchteten Pass-Rush der Steelers standen am Sonntag abermals Backups auf fast allen Positionen, teilweise sogar schon die dritte Garde auf dem Platz.

Meine Prognose für die Texans hatte sich zu dem Zeitpunkt schon geändert, weil mein Bild von Stroud sich über die ersten Wochen dieser Saison von Spiel zu Spiel mehr verändert.

Am meisten beeindruckt hat mich dabei die Ruhe in der Pocket. So richtig auffällig fand ich das über ein ganzes Spiel gesehen zum ersten Mal gegen Jacksonville in Woche 3, was auch das erste echte Statement der Texans als Team in dieser Saison war. Am Ende stand ein 37:17-Sieg gegen die klar favorisierten Jags, der sich womöglich sogar als Vorzeichen darauf herausstellen könnte, dass diese Division schon in dieser Saison nicht ganz so klar an die Jaguars geht, wie man das im Vorfeld erwarten konnte.

C.J. Stroud von den Houston Texans

C.J. Stroud überzeugt in seiner Rookie-Saison und gibt Texans-Fans Hoffnung. IMAGO/USA TODAY Network

Texans-Offense hat eine schematische Basis

Houston hat damit jetzt zwei Spiele in Serie gewonnen und beide Male die 30-Punkte-Marke geknackt. Die jungen Receiver schlagen sich sehr gut, mal ist Nico Collins der dominierende Faktor, mal Tank Dell, mal klappt es über den Verbund.

Unter Ex-Shanahan-Schüler Bobby Slowik hat die Offense eine klare Handschrift und dadurch auch eine schematische Baseline, um den Ball zu bewegen, selbst wenn man an der Line of Scrimmage unterlegen ist - ein gravierender Unterschied gegenüber dem letzten Gegner Pittsburgh, was im direkten Duell dieser beider Teams am Sonntag überdeutlich sichtbar war.

Stroud spielt mit Antizipation als Passer, das Armtalent, das auch Pre-Draft sichtbar war, überträgt sich bisher sehr gut auf die NFL. Das sieht man insbesondere bei seiner Accuracy, aber diese Dinge arbeiten auch Hand in Hand: Weil das Scheme funktioniert, und Stroud dem Scheme vertraut, kann er Bälle Downfield mit Antizipation in enge Fenster feuern.

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Stroud: Vier Plays gegen Pittsburgh

Aber: An diesen Dingen hatte ich bei Stroud vergleichsweise wenig Zweifel. Das akkurate, On-Timing-Play innerhalb der Struktur der Offense und der Struktur des Plays, das war das stärkste Argument für ihn in seinem College-Tape. Die Furchtlosigkeit, seinem Arm zu vertrauen, der Offense zu vertrauen und darauf zu vertrauen, dass er auch in der NFL ähnliche Fenster attackieren kann, öffnet die Texans-Offense und gibt ihr schon jetzt dieses Big-Play-Potenzial.

Das war auch gegen die Steelers zu sehen. Ich habe vier Plays festgehalten, die für mich verschiedene Qualitäten in Strouds Spiel auf eigene Art und Weise unterstrichen.

1. Der Pass zu Dalton Schultz über die Mitte zum Start ins zweite Viertel bei Zweiter-und-Sieben war perfekt über den Linebacker und vor die Safeties gelegt. Die Steelers sind in Cover-2, der Schultz läuft eine gute Route und Stroud liest nicht nur die Coverage korrekt, er legt den Ball auch perfekt in den Raum, in den er muss.

2. Der Pass mit noch 10:37 Minuten auf der Uhr im zweiten Viertel war ein Beispiel für seine Playmaker-Qualitäten. Nach angetäuschtem Run - womöglich auch eine RPO - und der angetäuschten "Jet-Sweep-Route" ist Alex Highsmith schon fast bei Stroud, bevor der auch nur im Ansatz seine Füße richtig platzieren konnte - und auch sein Receiver hat noch keine Separation. Stroud wirft den Ball mit fantastischer Antizipation und per Sidearm-Wurf, sodass Nico Collins in die Flugbahn laufen und den Ball fangen kann.

3. Früh im vierten Viertel (13:40 noch auf der Uhr) sah man Strouds Playmaker-Qualitäten auch außerhalb der Pocket. Bei Dritter-und-Zwölf mochte er den Shot über die Mitte nicht - hier kann man diskutieren, ob er den nehmen sollte - dann ging er ausreichend aus der Pocket, um dem Pass-Rush auszuweichen, aber nicht so viel, dass das Play-Design komplett zerstört wird und fand Nico Collins, der zu ihm zurückgearbeitet hatte zum First Down.

4. Strouds bester Wurf des Spiels kam 3:46 Minuten vor dem Ende bei Dritter-und-Sechs, der Touchdown, der den finalen Schlussstrich unter einen dominanten Sieg setzte. Stroud tritt hier schnell in die Pocket, sodass der Edge-Rush ihn von außen nicht erreichen kann. Der Ball ist dann auch direkt sauber raus und Stroud legt ihn förmlich in Collins’ Hände und über den Verteidiger.

Der Pass 2:15 Minuten vor Ende des ersten Viertels, kurz vor der Red Zone, hätte von Levi Wallace abgefangen werden müssen. Stroud wollte hier zu viel und hat versucht, in ein zu enges Fenster einen Ball zu feuern. Der versuchte Screen (4:54, drittes Viertel) war chancenlos und Strouds dennoch versuchter Pass in der Folge gefährlich. Doch Stroud so reif in einem Spiel zu sehen, in dem er dem Matchup an der Line vor ihm nicht vertrauen konnte, war beeindruckend.

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Texans auf einem sehr guten Weg

Und: Die Texans vertrauen Stroud bereits. Tiefe Dropbacks von Under Center ohne Play Action, vertikale Passkonzepte, die Geduld und Ruhe vom Quarterback in der Pocket verlangen - und Stroud zahlt das Vertrauen zurück. Nicht nur mit Big Plays, sondern auch mit wenigen Fehlern. Er hat bisher nicht wöchentlich diese eklatanten Rookie-Momente, die man jedem Quarterback zugestehen sollte, und die beispielsweise Bryce Young in Carolina auch zeigt.

All das ist sehr vielversprechend. Die Texans scheinen unter DeMeco Ryans einen ganz schnellen Turnaround hinlegen zu können. Das ist kein Vergleich zu dem mitunter leblosen Team, das Fans in Houston über die vergangenen beiden Jahre vorgeführt bekamen. Das ist ein junges Team, das schon im ersten Jahr positiv überraschen kann, das aber vor allem eine Basis kreiert, auf der man dann weiter aufbauen kann.

Und Stroud ist der zentrale Stein in diesem Fundament. In meiner Pre-Draft-Analyse war meine Prognose, dass er ein guter Game Manager werden kann, eine Art Jared Goff 2.0, was für sich schon ein guter Starting-Quarterback in der NFL ist. Doch über das erste Saisonviertel könnte ich von Stroud nicht beeindruckter sein. Was wir bisher von ihm gesehen haben, darf Texans-Fans jede Menge Hoffnung für die Zukunft machen.

THIRD DOWN: Die Raiders unter McDaniels stecken in einer Sackgasse

Wenn ich auf Teams und deren Team-Building-Prozess schaue, gibt es eine Sache, an die ich mich immer wieder selbst erinnere: Teams haben einen unterschiedlichen Startpunkt. Wie alt ist der Kader? Hat ein neues Regime übernommen? Wie ist die Quarterback-Situation? Welche Verträge laufen bald aus und müssen verlängert werden? Wie viel Draft-Kapital und wie viel Cap Space sind vorhanden?

All das ist von Team zu Team verschieden und manchmal auch nicht einfach, von außen betrachtet, alle Facetten zu greifen. Vergleichsweise einfacher ist es, Ziele zu formulieren.

Es gibt die radikalen Extreme, die All-In-Teams auf der einen und die Teams, die am Anfang eines drastischen Rebuilds stehen, auf der anderen Seite. Und dann gibt es die Teams dazwischen, bei denen die erste Frage lauten muss: Wie kommt man aus diesem Mittelmaß raus?

Und auch hier gibt es wiederum viele Grautöne. Manche Teams halten sich über Jahre mit einer Kombination aus guten Defenses, einzelnen offensiven Playmakern oder einem guten Play-Caller über Wasser und sind relevant, weil sie immer in Playoff-Reichweite sind. Diesen Teams fehlt häufig nicht viel, sodass es Unsinn wäre, alles einzureißen, um vielleicht irgendwie den Quarterback zu bekommen. Tennessee wäre das Paradebeispiel aus den letzten Jahren.

Manche Teams aber sind über Jahre in der, wie ich es bezeichnen würde, frustrierendsten Situation: Das sind die Teams, die krampfhaft investieren, um den Kopf über Wasser zu halten - manchmal auch, um gerade genügend Spiele zu gewinnen, damit alle ihren Job behalten -, sich dadurch aber immer stärker im Mittelmaß festbeißen. Die Saints sind das extreme Beispiel dafür. Die Raiders aber haben in diesem Ranking ordentlich Boden gutgemacht, und wenn man dieses Team aktuell betrachtet, fällt mir vor allem eine Beschreibung ein: richtungslos.

Die Raiders wirken wie ich in einem Open-World-Spiel wirken würde, in dem alle Karten und Orientierungspunkte gelöscht wurden und ich unterwegs einfach alles mitnehme, ohne zu wissen, wohin die Reise geht oder wie das, was ich einsammle, zusammenpassen soll.

Jimmy Garoppolo, Las Vegas Raiders

Jimmy Garoppolo wurde als Nachfolger von Derek Carr geholt. IMAGO/USA TODAY Network

Raiders: Kurs bleibt auf "Mittelmaß" gesetzt

Die Idee, im Vorjahr mit Chandler Jones und Davante Adams All-In zu gehen, war schon sehr gewagt und erwies sich als Trugschluss. Die diesjährige Offseason bot die Möglichkeit, den Neustart einzuleiten: Derek Carr hatte man bereits zum Ende der vergangenen Saison hin abgesägt, Darren Waller wurde via Trade abgegeben und die Raiders hatten den Nummer-7-Pick im Draft.

Stattdessen wurde der Kurs weiterhin auf Mittelmaß gesetzt, weiter darauf, "genügend" Spiele zu gewinnen. Jimmy Garoppolo und Jakobi Meyers waren die großen Free-Agency-Neuzugänge, beide schreien förmlich danach. Insbesondere Garoppolo, an den man sich mit einem 72-Millionen-Dollar-Vertrag zumindest für zwei Jahre relativ fest gebunden hat.

Was dann bei einem Team wie den Raiders in aller Regel schmerzlich fehlt, ist die Perspektive. Wo soll dieses Team hingehen? Welches sind die jungen Spieler, die Stars und tragende Säulen über die nächsten Jahre werden können?

Left Tackle Kolton Miller passt neben Maxx Crosby noch am besten in diese Beschreibung. Doch die meisten Starter sind entweder Veterans, die bereits als Stars von außerhalb kamen und dementsprechend auch keine lange Prime mehr vor sich haben wie ein Davante Adams, oder auch, zu einem geringeren qualitativen Grad natürlich, Garoppolo. Ansonsten sind es schlicht durchschnittliche Veterans, die Role Player sind, und nicht mehr.

Josh McDaniels: Überschaubarer Mehrwert

Es ist ein Kader, der in seiner gesamten Zusammensetzung auf Mittelmaß getrimmt ist.

Ich hatte vergangene Woche auch über den Gegner vom Sonntag, die Los Angeles Chargers, und deren problematische Kader-Struktur geschrieben, der Unterschied aber ist, dass hier zumindest in einem perfekten Sturm die Upside sichtbar ist. Auch wenn das in erster Linie damit zusammenhängt, dass man einen Top-5-Quarterback hat.

Diese Upside fehlt den Raiders.

Head Coach Josh McDaniels trägt ebenfalls wenig dazu bei, dass sich das ändert. McDaniels ist ein guter offensiver Play-Caller, aber sein In-Game-Management lässt doch sehr viel Spielraum für Verbesserungen, was umso deutlicher wird in einem Team, das jedes zusätzliche Prozent gebrauchen könnte. Sich dann nach dem Spiel gegen die Chargers noch hinzustellen, und seinen Rookie-Quarterback öffentlich zu kritisieren, lässt weitere Fragen hinsichtlich seiner Führungsqualitäten zu.

Die Raiders brauchen Spieler, die Perspektive bieten

Letztlich kommt man immer wieder auf die eingangs erwähnte Frage zurück, wenn man sich mit den Raiders beschäftigt: Wie kommen sie aus diesem Trott raus?

Diese Frage betrifft ganz eindeutig auch den Head Coach: Josh McDaniels kann eine gute Offense designen, aber dass er Mehrwert als Head Coach mitbringt, diesen Beweis ist er bislang schuldig geblieben. Das Team wurde jetzt für ihn umgebaut, inklusive Garoppolo, den er noch aus New England kannte, und wenn die Ergebnisse in dieser Saison abermals enttäuschen, sollte auch hier ein Cut erfolgen.

Hier könnte die größte Frage am Ende lauten: Haben die Raiders nach der teuren Trennung von Jon Gruden die Cash-Mittel, um sich abermals frühzeitig von einem Head Coach zu trennen und ihn auszubezahlen?

Vielleicht picken sie im kommenden Draft, der vermutlich gleich mehrere hochspannende Quarterback-Prospects im Angebot haben wird, hoch genug, um einen neuen Franchise-Quarterback zu finden. Für nahezu jedes Team, das sich entweder im offenen Umbruch befindet oder aber irgendwo im Mittelmaß feststeckt, ist das häufig die wichtigste Frage.

Einen jungen Franchise-Quarterback zu finden, wäre auch für die Raiders ein riesiger Schritt in die richtige Richtung. Doch wenn ich auf diesen Kader schaue, dann sehe ich ein Team, das einen tiefgreifenden Umbruch vor sich hat. Das in absehbarer Zeit - also etwa über die nächsten zwei Jahre - unter anderem einen neuen Nummer-1-Receiver, einen neuen Quarterback und eine Vielzahl an neuen Startern in der Defense brauchen wird.

Und das eben nicht mit kurzfristigen Übergangslösungen, sondern mit Spielern, die Perspektive bieten. Und mit einem Coach, der diese Perspektive zur Realität formen kann.

FOURTH DOWN: Hoffnung für die beiden sieglosen Teams

Mit den Denver Broncos, den Chicago Bears, den Minnesota Vikings und den Carolina Panthers gingen vier sieglose Teams in diesen Spieltag. Immerhin aber mit der klaren Aussicht, dass sich das ändern würde: Die Bears empfingen am Sonntag die Broncos, parallel ging es für die Vikings nach Carolina - und da waren es nur noch zwei.

Der Weg dorthin war allerdings deutlich weniger einseitig, als man das im Vorfeld vielleicht denken konnte. Minnesota gewann sein Spiel letztlich dann doch einigermaßen souverän gegen die Panthers, doch was Denver in Chicago ablieferte war ein weiterer Hinweis darauf, dass es personelle Konsequenzen auf der defensiven Seite des Balls geben muss.

Die Broncos hatten letztes Jahr eine Top-10-Defense. Ejiro Evero war einer der besten Coaches auf der defensiven Seite des Balls, wenn es darum ging, Quarterbacks via Design unter Druck zu setzen und der Defense nicht nur einen Basis, sondern einen echten Mehrwert durch seine Game Plans und Designs zu geben. Dieses Jahr wirken sie unorganisiert, planlos und Woche für Woche schlecht vorbereitet.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Sean Payton die Broncos übernimmt, die Offense auch beachtlich schnell verbessert, Russell Wilson wieder besser spielt - die Defense aber an finstere Saints-Zeiten erinnert. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich das noch lange anschaut, denn das torpediert das gesamte Team aktuell.

Mit den Panthers und den Bears sind jedenfalls die beiden einzigen sieglosen Teams nach vier Spielen beide in der NFC beheimatet, die spannendere Parallele ist aber eine andere: Die Erstrunden-Picks beider Teams im kommenden Draft gehören den Chicago Bears. Das macht das direkte Duell Mitte November auch deutlich weniger brisant; selbst falls bis zu dem Zeitpunkt weiterhin beide auf Kurs-Nummer-1-Pick sein sollten, spielt es in der Hinsicht keine Rolle, wer gewinnt und wer verliert.

Justin Fields, Chicago Bears

An Justin Fields lag es am Sonntag gegen die Denver Broncos nicht. IMAGO/Icon Sportswire

Chicago Bears

Bisherige Niederlagen: Packers (20:38), Buccaneers (17:27), Chiefs (10:41), Broncos (28:31)

Die nächsten vier Spiele: at Commanders, Vikings, Raiders, at Chargers

Was war am Sonntag los? Justin Fields hatte sein vielleicht bestes Spiel seit zwei Jahren gegen Denver, auch wenn man aktuell ein Fragezeichen hinter jeden offensiven Auftritt gegen diese Broncos-Defense setzen muss.

Fields war über drei Viertel gut, sehr gut sogar. Er hat tatsächlich "frei" gespielt, er hat kreiert, er hat den Ball gut geworfen und wirkte als Passer so selbstbewusst, wie ich ihn seit langer Zeit nicht mehr gesehen habe.

Teil der Geschichte ist aber auch, dass er mit einem Fumble, welchen die Broncos zum Touchdown zurückgetragen haben, gefolgt von einem Turnover on Downs und einer Interception beim finalen Drive in der Schlussphase des Spiels ebenfalls seinen Anteil an der späten Pleite hatte. Und die Bears-Defense ist, neben Denvers Defense, vermutlich die schlechteste in der NFL.

Die größte Baustelle: Ganz ehrlich? Alles

Die Offense von Luke Getsy sieht extrem statisch aus, häufig ist niemand frei und die Offensive Line ist schon seit Saisonstart verletzungsbedingt angeschlagen. Justin Fields nutzt - das Broncos-Spiel mal ausgeklammert - offene Targets nicht und nimmt stattdessen den Kopf runter, seine Pressure-to-Sack-Rate ist eine der schlechtesten in der NFL und man hat eher den Eindruck, dass er sich zurückentwickelt.

Die Offense packt ihn in ein Korsett und will, dass er aus der Pocket spielt, was Fields schwerfällt und was ihm durch Getsys Offense zusätzlich erschwert wird. Es ist ein Kreislauf, in dem ein Problem das nächste verschlimmert, und jedes Problem für sich betrachtet, wäre schon ein ernsthaftes Thema, welches früher oder später personelle Konsequenzen nach sich ziehen müsste.

Zusätzlich merkt man, dass die Bears sich zwar was die individuelle Qualität angeht im Vergleich zum Vorjahr fraglos verbessert haben, aber der Kader natürlich noch weit entfernt davon ist, "gut" zu sein. Und wenn es dann einen Totalausfall wie Chase Claypool gibt, oder aber die Line auf Backups zurückgreifen muss, dann wird es schnell dünn.

Head Coach Matt Eberflus kommt in alledem für meine Begriffe fast noch zu gut weg. Denn seine Defense ist nach wie vor eine Großbaustelle - inklusive der Front, in die Chicago in der Free Agency (u.a. Tremaine Edmunds, T.J. Edwards, Yannick Ngakoue, DeMarcus Walker) und an Tag zwei des Drafts (Gervon Dexter, Zacch Pickens) investiert hat.

Und so sehe ich auch im Coaching Staff wenige Gegenargumente gegen die Aussage: Die Bears brauchen einen kompletten Neustart.

Das macht Hoffnung auf Besserung: Ein möglicher Neustart mit idealen Ressourcen

Wer meine Kolumnen und Podcasts über den Sommer und in der bisherigen Saison verfolgt hat, der weiß, dass ich sowieso schon relativ skeptisch bei den Bears war, und diese Meinung ist seit Saisonstart noch weiter nach unten gegangen.

Für mich gibt es hier nicht viel, worauf ich perspektivisch aufbauen will. Die Secondary am ehesten noch, mit Jaylon Johnson und Jaquan Brisker allen voran gibt es hier Spieler, die auch perspektivisch Leistungsträger sein können. Rookie-Corner Tyrique Stevenson entwickelt sich vielleicht auch noch in diese Richtung und Kyler Gordon kann ein guter Slot-Corner werden.

So könnte man einzelne Mannschaftsteile oder auch Spieler herauspicken, die zumindest Potenzial haben. D.J. Moore gehört da natürlich dazu, und vielleicht haben die Bears mit Braxton Jones und Darnell Wright tatsächlich ihr Tackle-Duo gefunden.

Doch wäre ich Bears-Fan, würde meine Hoffnung auf dem liegen, was möglich sein könnte. Mit mutmaßlich einem neuen Coaching Staff, mit all den zusätzlichen Draft-Ressourcen haben wird (zwei Picks in Runde 1, potenziell beide Top-5, sowie zwei Picks in Runde 4 und noch ein zusätzlicher Zweitrunden-Pick der Panthers 2025), mit dem Cap Space - und mit einer Quarterback-Klasse für den kommenden Draft, die wahnsinnig vielversprechend aussieht.

Und die zynischen Bears-Fans werden mit Blick auf die eigene Historie vermutlich festhalten, dass Chicago auch diesen Quarterback-Pick auf die eine oder andere Art vermasseln wird. Aber es nicht zu versuchen ist schließlich auch keine Option.

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Bisherige Niederlagen: Falcons (10:24), Saints (17:20), Seahawks (27:37), Vikings (13:21)

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Bryce Young, Carolina Panthers

Bryce Young hat in seiner ersten NFL-Saison einen schweren Stand in Carolina. IMAGO/ZUMA Wire

Was war am Sonntag los? Was aussah wie ein Spiel, das endlich mal auch vom Spielverlauf her den Panthers in die Karten spielen könnte, entglitt Carolina letztlich doch wieder.

Ein 99-Yard-Pick-Six-Return, gefolgt von einem langen Field-Goal-Drive verschaffte Carolina eine 10-Punkte-Führung früh im Spiel.

Doch obwohl Minnesota noch eine Interception später drauflegte, und den Panthers so ein weiteres Field Goal auf dem Silbertablett servierte, reichte das nicht.

Im Moment sieht man in jedem Panthers-Spiel, dass selbst zur NFL-Mittelklasse aktuell ein gutes Stück fehlt. Und das war nicht der Plan, als man sich den Nummer-1-Pick geholt hat.

Die größte Baustelle: Wide Receiver

Gemessen an den Erwartungen ist es ehrlicherweise die Offensive Line. Denn hier hat sich in der bisherigen Saison das fortgesetzt, was sich in der Preseason so unheilvoll angekündigt hatte: Die Offensive Line ist nicht nur nicht der Stabilisator für die Offense sowie eine Art Garant dafür, dass Bryce Young eine halbwegs vernünftige Chance hat, um sich zu entwickeln - sie ist eine echte Problemzone.

In Teilen liegt das daran, dass die Panthers verletzungsbedingt mit zwei Backup-Guards antreten müssen. Doch auch Left Tackle Ikem Ekwonu hat weiterhin deutlich zu große Leistungsschwankungen. Warum also hier nicht die Line als größte Baustelle? Weil ich mehr Stabilität erwarte, wenn die Starting-Guards zurückkommen, weil Ikem Ekwonu genug gezeigt (und genug gekostet) hat, dass er nicht zeitnah ersetzt werden wird und weil das Gerüst dieser Line perspektivisch gut sein sollte.

Receiver ist eine andere Thematik. Was Carolina, das sich offensiv nach dem Verlust von D.J. Moore neu sortieren musste, hier versuchte, war, Bryce Young eine gewisse Baseline zur Verfügung zu stellen. Deswegen haben die Panthers Adam Thielen verpflichtet, deswegen haben sie D.J. Chark verpflichtet, deswegen haben sie Jonathan Mingo in der zweiten Runde gedraftet, und deswegen haben sie überraschend viel Geld in die Hand genommen, um Hayden Hurst und Miles Sanders zu verpflichten. Zwei durchschnittliche Spieler auf ihren Positionen, aber eben verlässliche Starter.

Die Idee schien klar: Mit einer guten Offensive Line im Rahmen der eigenen Möglichkeiten bestmöglich Receiving-Optionen zu holen, sodass Young verlässliche Targets um sich hat, während dieser Bereich in den kommenden Jahren nachhaltig verbessert wird. Bislang erfüllen weder die Line, noch die Receiver ihren Teil der Aufgabe. Das wiederum führte dazu, dass Young bislang häufig schnell im Play unter Druck geriet, während seine Receiver selten schnell Separation kreieren konnten. Das in Kombination damit, dass Young sich an NFL-Tempo und NFL-Komplexität gewöhnen muss, ist viel verlangt.

Und das hatte dann einen weiteren Schneeballeffekt: Weil die Panthers hier solche Probleme hatten und Young erwartungsgemäß häufiger als gewollt ins Schwimmen geriet, wurde die Offense wahnsinnig eindimensional. Das führte dazu, dass die Panthers das Playbook selbst dann nicht mehr öffneten und aggressiver wurden, wenn sie in der zweiten Hälfte deutlichen Rückständen hinterher liefen. Über die ersten beiden Spiele - Woche 3 verpasste er verletzt - hatte Young eine Completion über 20+ Air Yards, bei fünf Versuchen. Das ist der gleiche Wert wie Joshua Dobbs in dem Zeitraum, der in Arizonas Umbruch den noch verletzten Kyler Murray vertritt. Und Dobbs fügte gegen die Cowboys-Defense in Woche 3 zwei solcher Completions hinzu.

Niemand erwartet von den Panthers, dass sie im ersten Jahr mit Young die Division gewinnen oder auch nur direkt oben mitspielen können. Es geht in erster Linie darum, Bryce Youngs Weiterentwicklung sicherzustellen. Ich hätte kein Problem damit, wenn die Panthers zur Trade-Deadline versuchen würden, noch etwas auf der Receiver-Position zu machen, einfach um hier noch mehr Qualität rein zu bringen. Denn viel schlimmer am Ende dieser Saison, als einen Top-5-Pick nach Chicago zu schicken, wäre es, wenn man in der Evaluation und in der Entwicklung von Bryce Young ernsthafte Fragezeichen bekommt, weil er ein Jahr lang in einer drastisch limitierten Offense gespielt hat.

Brian Burns, Carolina Panthers

Brian Burns und Jeremy Chinn sind zwei der jungen Säulen der Panthers-Defense. IMAGO/USA TODAY Network

Das macht Hoffnung auf Besserung: Die jungen Säulen dieses Teams

Teams, die einen Quarterback mit dem First-Overall-Pick auswählen, sind meist in eher überschaubaren Zustand. Die Panthers fallen nicht ganz in dieses Muster, immerhin hatte Carolina nicht aus sportlichen Gründen diesen Pick. Gleichzeitig kostete der Trade nach oben einen gewichtigen Teil der eigenen sportlichen Qualität, in Person von D.J. Moore.

Trotzdem hat dieses Team junge Spieler, die auch perspektivische Leistungsträger sein können. Derrick Brown, Brian Burns, Jeremy Chinn, Jaycee Horn, Shaq Thompson und Frankie Luvu auf der defensiven Seite, sowie - mit ein wenig Optimismus in der Prognose - weite Teile der Offensive Line.

Und natürlich, und damit steht und fällt alles, Bryce Young. Und Young zeigt Ansätze, gerade was seine Ruhe in der Pocket und die schnelle Auffassungsgabe in seinen Reads angeht. 

Bei Teams, die mit einem Rookie-Quarterback neu anfangen, bin ich vom Grundsatz her immer bereit, mehr Geduld mitzubringen und mehr Spielraum zuzugestehen. Selten sind diese Teams gut, und Rookie-Quarterbacks brauchen für sich betrachtet Zeit. Auch enttäuschende Saisons mit vielen Niederlagen können Teil davon sein.

Dann im folgenden Draft den eigenen Erstrunden-Pick weg getradet zu haben, macht das ohne Frage bitter. Doch das wusste man in Carolina, als man diesen Trade gemacht hat, oder zumindest sollte das in den Einschätzungen vor dem Trade klar gewesen sein: Insbesondere der Erstrunden-Pick im kommenden Jahr könnte durchaus hoch sein.

Dieser Pick ist weg, und den wird man auch nicht wieder bekommen; genauso gut könnte man den beiden Erstrunden-Picks hinterhertrauern, die die Rams letztes Jahr angeblich für Brian Burns geboten haben.

Mit reinem Blick nach vorne gerichtet sehe ich immer noch Grund für Optimismus in Carolina. Der würde noch größer werden, sollten die Panthers im Laufe der kommenden Wochen einige Stellschrauben korrigieren können.

Adrian Franke