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100 Jahre kicker: 1923 - Hamburgs verspäteter Titel und ein umstrittener Held

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1923 - Hamburgs verspäteter Meistertitel und ein umstrittener Held

Hamburgs Tull Harder reißt die Hände hoch nach seinem 1:0 im Endspiel um die deutsche Meisterschaft von 1923.

Hamburgs Tull Harder reißt die Hände hoch nach seinem 1:0 im Endspiel um die deutsche Meisterschaft von 1923. picture alliance

Tull Harder und Ludwig Breuel waren das Sturmduo des HSV und hatten in den 1920er Jahren eine Bedeutung für die Hanseaten wie später Uwe Seeler und Klaus Stürmer. Breuel, Torschütze zum 2:0 im Endspiel von Berlin war besonders glücklich über den Titel. Denn ausgerechnet den entscheidenden Schritt dorthin hatte er noch verpasst, weil er einen anderen wegweisenden Schritt gegangen ist: Als sich der HSV am 27. Mai 1923 in einem dramatischen Halbfinale zu einem 3:2-Sieg gegen den VfB Königsberg gemüht hatte, feierte Breuel seine Hochzeit - und ohne eigenes Dazutun schließlich auch den Einzug ins Endspiel, dem er seinen Stempel aufdrücken sollte.

Weit weniger amüsant sind die Episoden, die sein Sturmpartner Harder, mit Vornamen eigentlich Otto und nicht Tull, abseits des Platzes schrieb. Der bullige Mittelstürmer war eine Vereinsikone, in der zweiten Meistersaison, 1927/28, hatte er 56 Treffer erzielt. Er steht aber auch für ein schwarzes Kapitel des HSV in der Nazi-Zeit. 1932, ein Jahr nach seinem Abschied vom Rothenbaum, der damaligen legendären Spielstätte, war er Mitglied der NSDAP geworden. Ein weiteres Jahr später schloss sich Harder der SS an. Er war bis 1945 Wachmann in verschiedenen Konzentrationslagern, wurde 1947 als Kriegsverbrecher zu 15 Jahren Haft verurteilt und nach einem Gnadengesuch vorzeitig freigelassen.

Der Umgang mit der Geschichte von Harder beschäftigte den HSV und auch die Hansestadt noch länger. Zur WM 1974 in Deutschland hatte der Hamburger Senat eine Broschüre herausgegeben, in der zunächst auch Harder Erwähnung gefunden hatte. Vor der Veröffentlichung jedoch wurde die Seite mit Harder aus der gesamten Auflage entfernt.

Sebastian Wolff

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