Serge Gnabry hat in der Regel eher mittelgroße Lust, nach einem Bayern-Spiel noch über das Bayern-Spiel zu sprechen. Für gewöhnlich - oder eigentlich immer - stapft er ohne Blickkontakt an den wartenden Journalisten vorbei durch die Mixed Zone in Richtung Arena-Ausgang. Manch anderer Bayern-Spieler gibt wenigstens noch ein "Heute nicht, sorry" von sich.
Am Dienstag, um kurz vor Mitternacht, hatte Gnabry nach dem 2:0-Sieg gegen Inter nicht vor, sein übliches Verhalten zu ändern, die Rechnung dabei aber ohne Robin Gosens gemacht. Der Nationalmannschaftskollege, bekannt für seine durchaus launigen Interviews, hielt, als er neben Gnabry ging, an, um ein paar Fragen zu beantworten. Gnabry passte das nicht, er wollte mit seinem Kumpel weiterziehen. "Verhalt dich nicht so", flachste Gosens also in Richtung Gnabry, als dieser sich mit seinem Handy in eine Ecke verzog. Und nochmal: "Verhalt dich nicht so. Komm her, Sergej."
Gosens: "In Italien bin ich der große Unbekannte, der im Ausland kickt"
Aber Gosens blieb für sich und legte schnell den Schalter vom Witzbold zum Fußballprofi um. "Das ist absolutes Top-Niveau, das Bayern heute wieder gespielt hat", analysierte er die vorausgegangenen 90 Minuten. "Gar nicht so schlecht" fand Gosens die Anfangsphase der Mailänder, die nach rund einer halben Stunde hätten führen müssen, Lautaro Martinez aber hatte Gosens' scharfe Vorlage nicht verwerten können. "Dann steht es hier 1:0", mit dem nicht gegebenen Elfmeter sogar 2:0. "Stattdessen kriegen wir ein Tor, das du vermeiden kannst. Und dann läuft alles für Bayern."
Für ihn selbst lief das Spiel in Ordnung, defensiv ließ Gosens gegen Kingsley Coman oder eben Gnabry wenig zu, nach vorne "habe ich versucht, meine Akzente zu setzen". Für den 28-Jährigen war es der erste Startelf-Einsatz seit dem Hinspiel gegen Bayern (0:2), über mehr als Einwechslungen kommt er gerade nicht hinaus. "Ich bin froh, dass ich über 90 Minuten wieder Gas geben konnte", sagte Gosens deshalb. "Es wäre Balsam für meine Seele gewesen, wenn ich den Assist bekommen hätte."
Nichtsdestotrotz habe er "positiv auf mich aufmerksam machen dürfen", wie Gosens fand. "Das ist auf deutscher Bühne natürlich nochmal was anderes als in Italien, wo ich der große Unbekannte bin, der im Ausland kickt. Ich bin zufrieden. Ich hoffe, ihr auch."
Zumindest Serge Gnabry war zufrieden. Also dann, als Gosens endlich fertig war mit dem zweieinhalbminütigen Interview-"Marathon".