Amateure (D)

Erste DFB-Trainer-Videosprechstunde mit Kuntz und Schönweitz

Kuntz verrät: Ex-Nationalspieler Huth sollte die U21 unterstützen

DFB-Trainer-Videosprechstunde: "Wir sind viel zu früh auf den Gegner fixiert"

"Präsentierten sich zweieinhalb Stunden lang sehr offen gegenüber ihren Kollegen von der Basis": Stefan Kuntz (l.) und Meikel Schönweitz.

"Präsentierten sich zweieinhalb Stunden lang sehr offen gegenüber ihren Kollegen von der Basis": Stefan Kuntz (l.) und Meikel Schönweitz. picture alliance/imago

Auch die Junioren-Trainer des DFB verzichten angesichts der Corona-Krise wie viele Spieler, Trainer und Verantwortliche der Profi-Klubs auf Teile ihres Gehalts, berichtete Kuntz in der Einführung, die sich - natürlich - um den gerade in so vielen Bereichen radikal veränderten Alltag drehte. Schreibtisch statt Rasenplatz, digitale Kommunikation statt persönliche Gespräche - so haben sich grob umrissen die Arbeitsschwerpunkte der Fußballlehrer im Verband verschoben.

Videocalls und -konferenzen zur internen Abstimmung sind an der Tagesordnung. Ungewöhnlich ist es hingegen für die DFB-Coaches, die sich das Jahr über um die besten Spieler und Talente der Republik kümmern, mit Fragen von der Basis konfrontiert zu werden. Gerade angesichts der landesweiten Fußballzwangspause sei unter den U-Trainer beim DFB aber der gemeinsame Wunsch entstanden, "ganz bewusst für Trainerkollegen auf Amateur- und Jugendebene da zu sein", sagte Schönweitz - und machte mit Kuntz den Anfang.

Jürgen Jacob (FV Olympia Ramstein, Trainer): Wo kann ich Leitfäden für die Trainingsarbeit und gutes Übungsmaterial, vor allem für jüngere Trainerkollegen, finden?

Schönweitz verwies auf das DFB-Ausbildungskonzept "Unser Weg", das bei dfb.de zum Download bereitsteht: "Die darin enthaltenen 17 Leitlinien sind Grundlagen für viele verschiedene Übungen. Uns ist es aber wichtig, keine starren Vorgaben zu machen, was etwa das Spielsystem betrifft. Das gilt auch für unsere U-Trainer." Das Konzept enthalte die wesentlichen Prinzipien der DFB-Spielidee. Ein Hauptmotto des Offensivspiels lautet beispielsweise: Den Raum so tief wie möglich, aber nur so breit wie nötig aufteilen. Bedeutet: Schnörkelloses Vertikalspiel Richtung Tor, wann immer es möglich ist.

André Theis (Eisbachtaler Sportfreunde, Co-Trainer U15): Wie viel Mitspracherecht sollte ein Co-Trainer haben?

Kuntz stellte den Wert von unterschiedlichen Charakteren in einem Trainer-Team heraus. Er ergänze sich deshalb bestens mit seinen U-21-Assistenten Antonio di Salvo und Daniel Niedzkowski. Jeder bringe seine Ideen und Ansätze in vollem Maße ein und die Trainingsgestaltung werde noch mit den Athletiktrainern und Torwarttrainer Klaus Thomforde abgestimmt.

Wenn die Spieler merken, die Co-Trainer sind nur die Osterhasen, funktioniert das nicht.

Stefan Kuntz

"Ein Austausch und eine Aufgabenteilung auf Augenhöhe finde ich ganz wichtig. Wenn die Spieler merken, die Co-Trainer sind nur die Osterhasen, funktioniert das nicht", sagte Kuntz und verriet, dass er für die März-Länderspielphase der U21 noch einen weiteren Spezialisten dazuholen wollte: Robert Huth. Der frühere Nationalspieler und Premier-League-Innenverteidiger sollte sich speziell um die Defensivabteilung kümmern, da die meisten U-21-Akteure dort über wenig Spielpraxis verfügen. Das Engagement des 35-Jährigen war als Honorarkraft zunächst nur für eine Maßnahme geplant.

Luca Reichel (SpVgg Holzgerlingen, U15- und U17-Trainer): Ist es sinnvoll schon im Junioren-Bereich seine taktische Idee an der Spielweise des Gegners auszurichten?

Schönweitz riet davon ab. "Wir sind in Deutschland extrem und viel zu früh auf den Gegner fixiert", sagte der deutsche Junioren-Cheftrainer und berichtete vom Gegenentwurf in Spanien. Dort gebe es statt der hiesigen Junioren-Bundesliga im U-19-Bereich sieben und im U-17-Bereich 17 verschiedene regionale Ligen. Das Spiel am Wochenende diene häufig in erster Linie der Anwendung und Überprüfung der Trainingsinhalte der vorangegangenen Trainingswoche, während in Deutschland unter der Woche vor allem auf die Partie und das Ergebnis am Wochenende hingearbeitet werde.

Emanuel Jozic (VfR Garching, Trainer und Analyst): Wohin entwickelt sich das Spiel der Stürmer?

Zusammen mit U-21-Co-Trainer di Salvo, früher auch Profi-Stürmer, entwickelt der zweimalige Bundesliga-Torschützenkönig Kuntz aktuell ein teamübergreifendes Stürmer-Projekt, das er in Teilen auch schon dem DFB-Pokal-Halbfinalisten 1. FC Saarbrücken und anderen Klubs vorstellte. "Wir haben uns zunächst an Statistiken orientiert, von wo in Europa die meisten Tore geschossen und von wo sie vorbereitet werden. Als Benchmark haben wir uns Szenen der Topklubs in der Champions League und aus allen Ländern angeschaut und analysiert, welche Techniken man für den Abschluss braucht und was im Vorfeld passieren muss, um in gute Abschlusspositionen zu kommen", erläuterte der Europameister von 1996.

Mein erster Profi-Trainer Rolf Schafstall hat immer gesagt: Flach ins lange Eck - da verdienst du das meiste Geld.

Stefan Kuntz

Die goldene Zielzone sei demnach in Torbreite der Raum von der Torlinie bis etwa zum Elfmeterpunkt. Die Kernübung: Querpass vor das Tor und ein Abschluss im 90-Grad-Winkel. Diese lasse sich beliebig erweitern, etwa mit Volley- oder Kopfballabschlüssen, die nötige Vororientierung gelte es laut Kuntz auch zu schulen. Hinzu kommen Schusstechnik-Übungen aus spitzem Winkel ins flache oder hohe Eck am kurzen wie am langen Pfosten - mit dem Schwerpunkt auf der Positionierung des Standfußes. Ebenfalls wichtig: Das Verwerten von frontalen Zuspielen auf den Stürmer mit dem Rücken zum Tor und Steckpässen in die Schnittstellen der Abwehrreihe.

Die Quintessenz: Die Stürmertypen können unterschiedlich sein, am Ende kommt es weiterhin vor allem auf die Abschlussqualitäten an. Und wo ist die Chance nun am größten, den Keeper zu überwinden? Dazu hatte der gewohnt plastisch und locker erzählende Kuntz natürlich eine Anekdote parat: "Mein erster Profi-Trainer Rolf Schafstall hat immer gesagt: Flach ins lange Eck - da verdienst du das meiste Geld."

Thorben Pauls (SC Weiche Flensburg, U-19-Trainer): Wie gehe ich als Trainer am besten mit Druck um, zum Beispiel im Abstiegskampf?

"Man sollte sich auf einfache Dinge konzentrieren, die Mannschaft nicht mit vielen Veränderungen oder womöglich komplizierten Inhalten zusätzlich stressen", riet Schönweitz: "Zum Beispiel in einem flachen 4-4-2 gegen den Ball kann sich ein Team auf die Basics wie Verschieben, Zustellen, Sichern konzentrieren. Über sichere Abläufe kommen Dinge wie Leichtigkeit und Spielfreude irgendwann wieder von selbst zurück."

Die Video-Sprechstunden mit Manuel Baum (U20) und Guido Streichsbier (U19) sowie Christian Wück (U17) und Marc Meister (U15) folgen am 9. und 16. April. Die Bewerbungsfrist ist allerdings am 1. April abgelaufen.

Carsten Schröter-Lorenz